DFB-STIFTUNG SEPP HERBERGER | 2022
Blindenfußball



DER SIEGER KOMMT VOM KIEZ

Für den FC St. Pauli zahlte sich die Reise nach Köln aus. Der Titelverteidiger aus Hamburg wurde dank eines 4:0 am finalen Spieltag der Blindenfußball-Bundesliga gegen den direkten Konkurrenten MTV Stuttgart Deutscher Meister. Dritter wurden die Sportfreunde Blau-Gelb Blista Marburg.


Als Philipp Versen, Kapitän des FC St. Pauli, die DFB-Meisterplakette in den Himmel über Köln streckte, war das der Auftakt zu einer ausgelassenen Feier: Sein Team hatte mit einem 4:0 (2:0) gegen den MTV Stuttgart den Titelgewinn perfekt gemacht und dabei einmal mehr auf großer Bühne brilliert. Denn der Abschluss der Saison in der Blindenfußball-Bundesliga hatte auf dem Kölner Roncalliplatz, im Herzen der Rheinmetropole, vor zahlreichen Zuschauern stattgefunden – eingebettet in die erstmals in Köln ausgetragenen Fußball-Inklusionstage.

Dass mit Stuttgart und St. Pauli zwei alte Bekannte den Showdown bestritten, hätte sich kein Drehbuchautor besser ausdenken können. Bereits im Jahr 2021 hatten die beiden Kontrahenten den Titel unter sich ausgemacht. Auch damals setzte sich das Team vom Kiez durch. Nun also folgte die Neuauflage. „Es war ein verdienter und richtig geiler Sieg“, freute sich St.-Pauli-Coach Wolf Schmidt. Zu den überragenden Akteuren avancierten die beiden Doppeltorschützen Jonathan Tönsing und Rasmus Narjes. „St. Pauli hat verdient gewonnen“, fand Stuttgarts Routinier Alexander Fangmann. Ihm habe es dennoch Spaß gemacht. „Köln wird sich als Austragungsort etablieren, davon bin ich überzeugt.“

Das glaubt auch Stephan Grunwald. „Wir haben den Blindenfußball und die übrigen Wettbewerbe für Sportler mit Behinderung weiter ins Blickfeld der Öffentlichkeit gerückt. Auf diese Weise wollen wir dazu beitragen, dass noch mehr Menschen mit Handicap Zugang in die bundesweit rund 24.300 Fußballvereine finden“, sagte der Schatzmeister des DFB und der DFB-Stiftung Sepp Herberger, die die Blindenfußball-Bundesliga seit 2008 mit dem Deutschen Behindertensportverband und dem Deutschen Blinden- und Sehbehindertenverband ausrichtet.

Spiele mitten in der Gesellschaft


Im
Verlauf der Saison zog die DBFL vom Schlossplatz in Karlsruhe über den Kaiser-Friedrich-Platz in Soest, die Fürstinnenstraße in Gelsenkirchen und das Gelände am Nordufer mitten in Berlin bis zum Kölner Roncalliplatz. Unterstützt wird die Blindenfußball-Bundesliga dabei von der Deutschen Telekom, Volkswagen und VANDA Pharmaceuticals sowie den Mitgliedern des Vereins „Freunde der Nationalmannschaft e.V.“.

 

Interview mit Hamburgs Torschützenkönig Rasmus Narjes:

Herr Narjes, Sie sind in der Lüneburger Heide groß geworden und leben in Hamburg, aber seit dem vergangenen Jahr dürfte Köln Ihre heimliche Lieblingsstadt sein.
Tatsächlich war der letzte Spieltag dort etwas ganz Besonderes. Ich hätte nie erwartet, dass wir als Team so cool sind, vor dieser tollen Kulisse den Rekordmeister MTV Stuttgart mit 4:0 zu schlagen und den Titel zu verteidigen. Dazu eignet sich Köln bekanntermaßen ganz gut, um dort ausgiebig zu feiern (lacht). .

Sie haben auf dem Roncalliplatz aber auch ganz persönlich Ihre starke Saison gekrönt, indem Sie sich die Torjägerkanone und die Auszeichnung als Spieler der Saison geholt haben.
Damit
hatte ich ehrlich gesagt gar nicht gerechnet. Ich bin auch nicht der Typ, der unbedingt im Mittelpunkt stehen will, und freue mich eher innerlich. Für mich war entscheidend, dass sich das viele Training ausgezahlt hat. Ich bin ein kompletterer Spieler geworden, defensiv und offensiv. Im Finale habe ich übrigens mit einem doppelten Bänderriss gespielt. Während der Partie hat das Adrenalin die Schmerzen verdrängt. Das Team hat mich gepusht und der Trainer hat uns super angeleitet.

Hat es sich bewährt, den Spieltag in die Fußball-Inklusionstage einzubetten und im Herzen der Stadt auszutragen?
Definitiv ist es gut, dort zu spielen, wo viele Leute vorbeikommen, wo die Zuschauer dicht dran sind und die Emotionen wahrnehmen. Diese Atmosphäre ist für alle mega. Auch wenn es für uns Spieler eine Herausforderung darstellt, mit der speziellen Akustik und Platzsituation klarzukommen.

Das ist Ihnen offenbar sehr gut gelungen. Im abschließenden Match gegen Stuttgart haben Sie doppelt getroffen. Waren Sie nicht nervös?
Vor dem Match war ich angespannt, aber nicht verkrampft. Wir sind dann sehr gut reingekommen, haben die Fans gehört. Alles hat gepasst. Irgendwie mag ich die großen Spiele am liebsten. Das prickelt richtig und man ist absolut fokussiert.

Große Spiele erwarten Sie im Sommer bei der WM im englischen Birmingham.
Ich bange um meine Teilnahme, weil ich mich am Knie verletzt habe. Aber ich hoffe, rechtzeitig fit zu werden. Nach England reisen werde ich zur Not auch nur zum Daumendrücken. Für Deutschland ist es einfach unfassbar cool, zum zweiten Mal dabei zu sein.

ZUR PERSON:

RASMUS NARJES (22) wuchs in der Lüneburger Heide auf. Seit 2019 lebt er in Hamburg, wo er Jura studiert. Seine Blindenfußball-Karriere begann er im Alter von acht Jahren. Seit 2012 spielt er beim FC St. Pauli. Dem Bundesliga-Debüt 2013 folgten inzwischen drei Deutsche Meistertitel (2017, 2021, 2022).