Leuchtturm / DFB-Kulturstiftung

IM NAMEN VON JULLER

Im März 1943 wird der deutsche Nationalspieler Julius »Juller« Hirsch nach Auschwitz deportiert und ermordet. Sein Name soll aus den Geschichtsbüchern gestrichen, die Erinnerung an ihn für immer ausgelöscht werden. Doch es kommt anders. Heute steht sein Name für den aktiven Einsatz des Fußballs für Vielfalt und Menschenrechte, gegen Antisemitismus und Diskriminierung.

 

Es ist der 24. März 1912. Als Julius Hirsch beim 5:5 gegen Holland, dem bis dahin wohl spektakulärsten Länderspiel der deutschen Nationalmannschaft, vier Tore erzielt, ist er gerade einmal 19 Jahre alt. Schnell, dribbel- und schussstark, beidfüßig und unheimlich torgefährlich. Ein Shootingstar. Sein Marktwert nach heutigen Maßstäben: um die 100 Millionen Euro. Mit 16 hat der Sohn einer jüdischen Kaufmannsfamilie beim Karlsruher FV sein Debüt gegeben, ein Jahr später ist er Deutscher Meister. Noch ist der Fußball kein Massenevent, aber für seine stetig wachsende Anhängerschaft ist Julius Hirsch ein Idol. Karlsruhe ist die Hauptstadt des deutschen Fußballs, hier spielen die Nationalspieler. Auf der ältesten bekannten Filmaufnahme eines Fußballspiels in Deutschland ist das Halbfinale um die deutsche Meisterschaft 1910 verewigt. Ein Lokalderby, Phönix Karlsruhe gegen den Karlsruher FV. Der 18-jährige Juller wirkt unter den comichaft herumrasenden Spielern in Schwarz-Weiß aufgedreht wie ein junger Hund, der jedem Ball nachjagt. Die Mannschaftsbilder dieser Zeit hingegen zeigen einen zurückhaltenden jungen Mann mit feinen Gesichtszügen und weichen dunklen Augen. Mit dem nur drei Jahre älteren und ebenfalls jüdischen Mannschaftskameraden Gottfried Fuchs steht Juller auf dem Spielfeld ein kongenialer, technisch eleganter Stürmer zur Seite. Der Sohn eines wohlhabenden Holzhändlers ist auch privat ein enger Freund und Förderer. Fuchs und Hirsch bleiben bis heute die einzigen jüdischen Spieler in der Geschichte der Nationalmannschaft.

 

Nach den Olympischen Spielen 1912 in Stockholm leistet Juller den Militärdienst und verpasst weitere Länderspiele. Ein beruflich bedingter Umzug führt den jungen Kaufmann nach Fürth, wo er sich 1913 der Spielvereinigung anschließt und sofort wieder deutscher Meister wird – als Mannschaftskapitän. Das hat noch keiner vor ihm geschafft. Die Fotos aus Fürth zeigen Juller, der nun einen Schnurrbart trägt, als selbstbewussten, körperlich robusten und kraftvollen Mann auf der Höhe seines Könnens. Dass es sein Höhepunkt bleiben wird, weiß er da noch nicht. Am 1. August 1914 reißt der Erste Weltkrieg den Kontinent in den Abgrund und mit ihm auch alle Pläne von Julius Hirsch. Er wird eingezogen und ist an verschiedenen Kriegseinsätzen beteiligt, zuletzt als Vizefeldwebel im Bayerischen Landwehr-Infanterieregiment Nr. 12. 1916 erhält er das Eiserne Kreuz II. Klasse, später die bayerische Dienstauszeichnung. Und er bleibt unverletzt. Anders sein Bruder Leopold, der am 30. April 1918 in der Schlacht am Kemmelberg fällt. Als Juller nach fünf Jahren auf den Fußballplatz zurückkehrt, kann er nicht mehr an alte Erfolge anknüpfen. Er heiratet 1920, wird Vater eines Sohnes und einer Tochter und Gesellschafter in der vom Vater mitgegründeten Deutschen Signalflaggenfabrik. Er darf ein gutes bürgerliches Leben erwarten.

 

Bis die Machtübertragung an Hitlers NSDAP am 30. Januar 1933 seine Pläne und Hoffnungen erneut erschüttert, dieses Mal endgültig. Am 10. April 1933 muss er in der Zeitung lesen, dass der Karlsruher FV ankündigt, »insbesondere in der Frage der Entfernung der Juden aus den Sportvereinen« mit den neuen Machthabern zusammenzuarbeiten. Um dem demütigenden Ausschluss zuvorzukommen, schreibt er noch am gleichen Tag seinem Verein:

 

»Ich gehöre dem KFV seit dem Jahre 1902 an und habe demselben treu und ehrlich immer meine schwache Kraft zur Verfügung gestellt. Leider muss ich nun bewegten Herzens meinem lieben KFV meinen Austritt anzeigen. Nicht unerwähnt möchte ich aber lassen, dass es in dem heute so gehassten Prügelkinde der deutschen Nation auch anständige Menschen und vielleicht noch viel mehr national denkende und auch durch die Tat bewiesene und durch das Herzblut vergossene deutsche Juden gibt.«

Julius Hirsch

 

Als »nachstehenden Beweis« führt er seine und die Teilnahme seiner drei Brüder im Ersten Weltkrieg sowie ihre militärischen Auszeichnungen an. Das Familienunternehmen muss Konkurs anmelden. Um seine Familie zu ernähren, arbeitet Julius Hirsch als Fußballtrainer im Elsass, als Lohnbuchhalter und als reisender Vertreter. Vergeblich geht er 1938 nach Frankreich, auf der Suche nach Arbeit. Auf dem Rückweg nach Deutschland versucht er voller Verzweiflung, sich das Leben zu nehmen. Seine Seele ist zutiefst verletzt, und er muss sich in psychiatrische Behandlung begeben. 1939 verpflichtet das städtische Tiefbauamt Julius Hirsch zur Zwangsarbeit. Sein Arbeitsplatz ist ein Schuttplatz am Rande der Stadt. 1942 lassen sich Julius und seine nicht-jüdische Frau Ella scheiden. Sie haben die Hoffnung, damit ihren Sohn Heinold und ihre Tochter Esther vor Schlimmerem zu bewahren. Trotz der Scheidung hält er sich täglich bei seiner Familie auf. 1943 kommt die amtliche Aufforderung sich zum »Arbeitseinsatz im Osten zu melden«. Am 1. März 1943 steigt er in einen Zug nach Auschwitz. Wenige Tage später erreicht die Familie eine Geburtstagskarte an seine Tochter Esther, abgestempelt am 3. März 1943 in Dortmund, einer Zwischenstation auf dem Weg nach Auschwitz:

 

»Meine Lieben! Bin gut gelandet, es geht gut! Komme nach Oberschlesien, noch in Deutschland. Herzliche Grüße und Küsse, Euer Juller

Julius Hirsch

 

Es bleibt das letzte Lebenszeichen von Julius Hirsch. Zusammen mit rund 1.500 deportierten Jüdinnen und Juden aus ganz Deutschland erreicht Julius Hirsch am frühen Morgen des 4. März das Vernichtungslager Auschwitz. Seine Ankunft ist nicht im Lagerbuch verzeichnet. Die historischen Zeugnisse legen nahe, dass das Leben des gefeierten deutschen Nationalspielers unmittelbar nach seiner Ankunft in einem von zwei provisorisch zu Gaskammern umgebauten Bauernhäusern endet. Nach dem Krieg wird er mit Datum 8. Mai 1945 für tot erklärt.

 

Da sind er und die anderen jüdischen Pioniere schon aus der Erinnerung getilgt: Vereinsgründer aus Festschriften entfernt, Gedenkplatten ausgetauscht, sogar Konterfeis aus Fotos herausretuschiert. Als die Sportzeitschrift Kicker, 1920 vom jüdischen Fußballpionier Walther Bensemann gegründet, 1939 das Bilderalbum »Die deutschen Nationalspieler« veröffentlicht, fehlen die Namen von Hirsch und Fuchs. So bleibt es auch nach 1945 für mehrere Jahrzehnte.

 

Ein halbes Jahrhundert verdrängt und vergessen – eine Spurensuche beginnt

1992 begibt sich der Autor Werner Skrentny auf die Spurensuche, trifft sich mit Hirschs Sohn Heinold, der zusammen mit seiner Schwester Esther die Deportation ins Lager Theresienstadt überlebt hat, und schreibt erste Aufsätze über Julius Hirsch. 1998 wird die Sporthalle des Ludwig-Marum-Gymnasiums in Pfinztal-Berghausen nach Julius Hirsch benannt. 2000 sind die von Heinold Hirsch sorgfältig verwahrten Lebenszeugnisse in der DFB-Jubiläumsausstellung »Der Ball ist rund« erstmals öffentlich ausgestellt. Ein Stein kommt ins Rollen. Vereinsmitglieder, Fans, Autoren und Journalisten, dann auch der DFB und die Vereine beginnen sich kritisch mit ihrer Rolle zwischen 1933 und 1945 auseinanderzusetzen. 2005, zwei Jahre vor der Gründung der DFB-Kulturstiftung, erscheint die vom DFB beauftragte historische Studie »Fußball unterm Hakenkreuz«. Und der Verband stiftet den Julius Hirsch Preis, der seitdem jährlich Menschen auszeichnet, die sich im und um den Fußball öffentlich für Demokratie und Menschenwürde und gegen Antisemitismus, Diskriminierung und Fremdenfeindlichkeit einsetzen.

 

Für die DFB-Kulturstiftung, die den in seiner Erinnerung gestifteten Preis im Namen des DFB heute trägt, steht der Name Julius Hirsch nach langen Jahren des Vergessens und Verdrängens für klare Ziele: den Lebensläufen der verfolgten und ermordeten jüdischen Spieler, Trainer, Funktionäre und Journalisten ein bleibendes Gedächtnis zu bewahren. Und in ihrem Namen Zeichen für Anerkennung, Menschenwürde und Demokratie sowie gegen Diskriminierung, Antisemitismus und Neonazismus im Fußball und in der Gesellschaft zu setzen.

 

Am 13. November 2023 richten sich anlässlich der 19. feierlichen Verleihung des Julius Hirsch Preises in der Berliner Hauptstadtrepräsentanz der Deutschen Telekom die Kameras auf die ersten Preisträger: Umrahmt von den lebensgroßen Figuren von Julius Hirsch, Gottfried Fuchs und Walther Bensemann nehmen die beiden Chemnitzer Attila Bihari und Matthias Keussen die aus Silber und Ebenholz geprägte Trophäe aus den Händen von DFB-Präsident Bernd Neuendorf entgegen. Es ist der Höhepunkt eines Abends, an dem zuvor bereits der jüdische Sportverband Makkabi Deutschland und der Frankfurter Verein SG Bornheim 1945 Grün-Weiß für ihr Engagement ausgezeichnet worden sind. Die SG Bornheim hat sich insbesondere durch die Integration von zugewanderten und geflüchteten Menschen aus unterschiedlichen Regionen Europas und Afrikas verdient gemacht. Die Verantwortlichen begreifen ihren Klub als ganzheitlichen Ort der Begegnung, als einen Integrationsmotor, der einheimischen und auch neu zugezogenen Familien über den Sport hinaus Angebote zur Freizeitgestaltung, zum Kennenlernen und auch zur Bildung bietet. Makkabi Deutschland, zwanzig Jahre nach Ende der Shoa 1965 als jüdischer Turn- und Dachverband in Deutschland wiedergegründet, vertritt 37 Vereine, in denen Menschen jeder Religion und Glaubensrichtung spielen. Er wird für das Präventionsprojekt »Zusammen1« ausgezeichnet, das auf Basis der Projektsäulen »Verstehen« (Forschung), »Vermitteln« (pädagogische Maßnahmen) und »Verändern« (Herbeiführung wirksamer Regelstrukturen) binnen eines Jahres mehr als 100 pädagogische Maßnahmen im Sport durchgeführt und dabei über 3.000 Teilnehmende gegen Antisemitismus sensibilisiert hat.

 

»Werte, die eigentlich normal sein sollten«: Julius Hirsch Preisträger aus Chemnitz

»Wir als Gesellschaft haben durch unsere Geschichte und durch das Grundgesetz die Aufgabe, uns gegen Menschenhass zu wehren, und wir werden eine einheitliche Front für Menschen bilden, die durch Rassismus oder Antisemitismus betroffen sind«, erklärt Attila Bihari, der als Vertreter des gemeinnützigen Vereins ASA-FF gemeinsam mit dem Amateurverein Athletic Sonnenberg ausgezeichnet wird. Das prämierte Projekt »#HEIMSPIEL Chemnitz« setzte zusammen mit den CFC-Fans gegen Rassismus durch mehrere betont weltoffene Fußballturniere sowie ein umfangreiches Kulturprogramm 2023 ein sichtbares und wirkungsvolles Narrativ gegen Rechtsradikalismus, für Vielfalt und Offenheit. Die Kulturhauptstadt 2025 war 2018 nach Ausschreitungen von Neonazis international in die Schlagzeilen gekommen. Charlotte Knobloch, die Präsidentin der Jüdischen Kultusgemeinde Münchens, die neben der Familie Hirsch seit vielen Jahren Mitglied der Jury ist, ist beeindruckt:

 

»Um sich bei einem Projekt wie #Heimspiel in Chemnitz zu engagieren, braucht es durchaus auch Mut. Mit der Kraft des Fußballs Diskriminierung zu bekämpfen und dabei zugleich Diskriminierung im Chemnitzer Fußball selbst anzugehen, ist aber genau der richtige Weg.«

Charlotte Knobloch, Präsidentin der Jüdischen Kultusgemeinde Münchens

 

Einer der engagierten Mitstreiter des Projekts, der 2020 gegründete Fußballverein Athletic Sonnenberg, setzt sich im früher als Nazi-Kiez berüchtigten Chemnitzer Stadtteil konsequent für Diversität ein und erwartet von seinen Mitgliedern ein Verständnis für Antidiskriminierung: »Wir kennen unseren Stadtteil, wir kennen die Vorzüge wie auch die Herausforderungen des Sonnenbergs, und wir wollen Veränderungsprozesse nur gemeinsam mit den hier lebenden Menschen gestalten«, so der Verein, kurzum: »Ein Verein, der für Werte steht, die eigentlich normal sein sollten.«

Athletic Sonnenberg, ASA-FF, die SG Bornheim 1945 Grün-Weiß und Makkabi Deutschland stehen in einer Reihe von über fünfzig Institutionen, Profi- und Amateurvereinen, Fanprojekten und -initiativen, Bildungsträgern und Schulen, die seit 2005 mit dem Julius Hirsch Preis ausgezeichnet wurden. Und die wiederum den Preis selbst zu einer nachhaltigen und anerkannten gesellschaftspolitischen Initiative im deutschen Sport haben werden lassen. Der Name Julius Hirsch, für ein halbes Jahrhundert verdrängt und vergessen, steht heute programmatisch für einen Fußball, der sich nicht mehr hinter dem Scheinargument seiner vermeintlich »unpolitischen« Rolle versteckt, sondern Partei ergreift: für die im Grundgesetz festgeschrieben Werte der freiheitlich-demokratischen Grundordnung. In den »Allgemeinen Grundsätzen« und unter »Zweck und Aufgabe« hat der DFB in seiner Satzung festgeschrieben: »Der Verband tritt verfassungsfeindlichen Bestrebungen sowie jeder Form von diskriminierenden oder menschenverachtenden Einstellungen und Verhaltensweisen entschieden entgegen« und er verpflichtet sich zur »Förderung von Integration und Vielfalt sowie der Verhinderung und Beseitigung von Diskriminierung, insbesondere im Hinblick auf die soziale oder ethnische Herkunft oder eine behauptete ›Rasse‹, den Glauben, das Alter, das Geschlecht, die sexuelle Identität oder eine Behinderung«. Die DFB-Kulturstiftung, ihrerseits satzungsgemäß zur »Förderung von Projekten und Initiativen, die sich für die Völkerverständigung, die Integration von ausländischen Mitbürgern sowie gegen fremdenfeindliche, rassistische und insbesondere antisemitische Tendenzen einsetzen«, verpflichtet, nutzt die Vita von Julius Hirsch für kulturelle und künstlerische Maßnahmen und Bildungsprojekte.

 

»Wenn schon der Regisseur, der ein kalter Hund sein muss, bei einer Probe den Tränen nahe ist, dann zeigt das, welche emotionale Dichte wir schaffen.«

Jürgen Zielinski, Regisseur

 

Ausstellungen, Bücher und ein Theaterstück: Die Erinnerung bleibt

Zum Beispiel die Outdoor-Ausstellung »Zwischen Erfolg und Verfolgung – Jüdische Stars im deutschen Sport bis 1933 und danach«, die 17 lebensgroße Plexiglas-Figuren von jüdischen Athletinnen und Athleten zeigt. Auf einer von ihnen ist Julius Hirsch abgebildet, in aktiver Pose und im Trikot des Karlsruher FV. Die gezielt für den öffentlichen Raum konzipierte Ausstellung ist seit 2015 in fast 40 Städten, zumeist auf zentral gelegenen Plätzen, gezeigt worden und hat geschätzt über Hunderttausend Besucherinnen und Besucher erreicht. Als Nationalspieler, Welt- oder Europameister, als Olympiasiegerinnen und Olympiasieger zählten auch die übrigen 16 porträtierten Leichtathletinnen, Boxer, Schach- und Eishockeyspieler, Basketballer und Fußballspieler wie Julius Hirsch zu den gefeierten Idolen ihrer Zeit. Nur weil sie Juden waren, wurden sie im NS-Staat ausgegrenzt, entrechtet, zur Flucht gedrängt oder ermordet. Durch ihre Präsentation mitten im öffentlichen Leben und ihre Anknüpfung an das populäre Thema Sport bietet die Ausstellung zahlreiche Möglichkeiten für Veranstaltungen zum Thema Antisemitismus, Rassismus und Migration. Zweisprachig (deutsch/englisch) und über QR-Codes mit einer Online-Ausstellung verknüpft, dokumentiert sie ausführlich die noch immer im Wesentlichen unbekannte jüdische Geschichte des deutschen Sports.

 

Auch auf der Theaterbühne wurde die Biografie von Julius Hirsch inzwischen aufgeführt. Im April 2017 feierte das Stück »Juller« des Theaters der jungen Welt Leipzig anlässlich des 125. Geburtstags von Julius Hirsch in Leipzig Premiere. Und geht anschließend auf Tournee durch mehrere Städte und Stadien, unter anderem im Deutschen Fußballmuseum in Dortmund. Das vom Dramaturgen und Autor Jörg Menke-Peitzmeyer, Träger des Deutschen Jugendtheaterpreises, geschriebene und unter Regie von Intendant Jürgen Zielinski aufgeführte Stück mit Philipp Oehme in der Figur des »Juller« verknüpft das sportliche und private Leben der Hauptfigur mit dem seiner Karlsruher Mitspieler Gottfried Fuchs und Fritz Förderer. Manchmal provokant, oft unkonventionell, streckenweise sogar witzig, aber immer berührend.

 

Und auch wenn Regisseur Zielinski betont, dass »wir ohne die Mittel der Schulmedizin auskommen«, dürften gerade auch jüngere Zuschauer nach dem Besuch von »Juller« den Schrecken besser verstehen, der sich damals über den Fußball und das ganze Land ausbreitete. Mehr als fünfzig Mal wird das Stück aufgeführt. Und ist damit ein weiterer Baustein der Bildungs- und Vermittlungsarbeit der Stiftung im Namen von Julius Hirsch.

 

Ein weiteres Projekt, das Menschen im Umfeld des Fußballs eine Möglichkeit der historischen Bildung anhand der Biografie von Julius Hirsch ermöglicht, ist die Dokumentation »Auf den Spuren von Julius Hirsch«, die sich intensiv mit seinen letzten Lebenstagen beschäftigt. Galt bisher, dass sich nach der Deportation am 1. März 1943 am Karlsruher Hauptbahnhof seine Spur verliert, gelingt es der Dokumentation durch die Recherche von Lebenszeugnissen anderer Jüdinnen und Juden aus ganz Deutschland, die gemeinsam mit Julius Hirsch im Rahmen der sogenannten »Fabrikaktion« des NS-Staats in Viehwaggons ins Vernichtungslager Auschwitz gezwungen wurden, die historischen Ereignisse genauestens zu dokumentieren und auch den vermutlichen Ort seiner Ermordung zu rekonstruieren. Erarbeitet wurde die kostenlos bestellbare Dokumentation in einem fünftägigen Workshop mit Fans, Vereins- und Verbandsmitarbeiterinnen in der KZ-Gedenkstätte Auschwitz-Birkenau anlässlich des 75. Jahrestages der Deportation im März 2018.

 

Was bleibt, ist die Erinnerung. Was bleibt, ist sein Name. Julius Hirsch, Nationalspieler. Deportiert. Ermordet. Heute ein Symbol für den Einsatz von Menschen im und außerhalb des Fußballs dafür, dass sich (seine) Geschichte nicht wiederholen darf.