38 Travel Guide EURO 2024 Der Kreisligist SC ALEVITEN PADERBORN ist in Deutsch- land einmalig. Über 2.000 Geflüchtete haben ihn bereits durch- laufen. Die AfD will ihn ver- scheuchen. Den Verein macht das nur stärker. S ogar Oliver Kahn hat schon ver- sucht, die Hochspannungsleitung zu treffen, die über das Spielfeld führt. Geschafft hat er es nicht. Vielmehr ist er, wie alle anderen, die vor und nach ihm scheiterten, einer opti- schen Täuschung auf den Leim gegangen. Denn es sieht nur so aus, als hingen die schlaffen Leitungen in er- reichbarer Entfernung. Hier im Hermann-Löns-Stadi- on im Norden Paderborns, dem einzigen (ehemaligen) Profi-Platz Deutschlands, der von Stromleitungen über- quert wird. Aber auch der Verein, der hier seit acht Jah- ren seine Heimat hat, ist so ziemlich einmalig. Spieler aus 41 Nationen spielen derzeit für den SC Aleviten Pa- derborn. Es waren sogar mal mehr. „Er gibt Menschen eine Perspektive, die sonst in diesem Land keine bekommen“, sagt Verani Kartum, Gründer und Vorsitzender des Klubs. Der drahtige Mann steht vor dem Vereinsheim, er hält eine Zigarette in der Hand, trägt eine grüne Trainingsjacke, mindes- tens eine Nummer zu groß. Er spricht schnell, hat viel zu erzählen, manchmal überschlagen sich seine Worte. Dann wieder sind sie glasklar. Etwa wenn Kartum sagt: „Das Boot ist nie zu voll.“ Vor elf Jahren gründete der heute 54-Jährige den SC Aleviten Paderborn. Einen Verein, der jeden willkommen heißt. Und bei dem dieser Satz keine Plattitüde ist, sondern eine Lebensauffassung. Wo sich Schwarze, Weiße, Homo- und Heterosexuelle, Menschen mit Behinderung, Kurden, Türken, Syrer, Ukrainer, Russen oder Deutsche zusammenfinden. Ein Verein, den sich Verani Kartum gewünscht hät- te, als er Ende der Siebziger mit sieben Jahren aus der Türkei nach Deutschland kam. Als ihm die Deut- schen so fremd waren. Genau wie seine Eltern, die Gastarbeiter. Die ihn bei seinem Onkel haben auf- wachsen lassen. Bei dem er sich mit seinen drei Ge- schwistern ein Bett teilen musste. In der ostwestfäli- schen Nachbarschaft war man nicht erfreut über die Zugereisten. In der Schule auch nicht. Kartums Mit- Text MAX NÖLKE Fotos SOFIA BRANDES