„Für uns, die wir nach unserer Entlassung Menschen brauchen, die uns nicht einfach abschreiben, ist die geistige Aufgeschlossenheit gegenüber dem Strafgefangenen von ausschlaggebender Bedeutung.“ weise Sprüche von sich gegeben, die ser war nicht von ihm – aber er hätte von ihm sein können. Sein Testament, das in die Satzung der Stiftung einfloss, gibt beredte Auskunft darüber. Er setzt sich darin bekanntlich stark für sozia le, karitative und integrative Zwecke ein und unter Punkt d bei „Zweck der Stiftung“ wird auch die Förderung der Strafanstalten verfügt – finanziell „und durch die Bereitstellung von techni schem Gerät“. Nicht erwähnt werden die Anstaltsbesuche, denn diese kamen in all den Jahren von Herzen, und es wäre befremdlich, müsste man sie anordnen. Doch so, wie es anfing, mussten sie ja alle – von Horst Eckel über Uwe Seeler bis Otto Rehhagel – gerne kommen. Dass die Stiftung sich auch für Strafgefangene starkmacht, geht übrigens auf die Initiative des Dekans Schmitt zurück, der Herberger den Vorschlag machte, als der ihm von der Gründungsabsicht erzählte, die wiederum der DFB erst mals 1970 an den Chef herantrug. Aber schon sieben Jahre vor der Gründung der Stiftung ging es ja los. Wie war das also am 28. September 1970? Der Oberbürgermeister von Bruchsal schickte seinen persönlichen Fahrer nach Hohensachsen an der Bergstraße, um das Ehepaar Herberger abzuholen. Als sie in der JVA eintrafen, spielte eine kleine Kapelle einen Begrüßungsmarsch. Die Presse kam natürlich auch zum Spiel von Flügel 1/4 gegen 2/2, von der „Bruchsaler Rundschau“ verein facht als „Rot gegen Gelb“ dargestellt. Herberger führte den Anstoß aus, dann mischte er sich unter die Zuschauer im Gefängnishof. Andere sahen aus ihren Zellen zu. In der Halbzeit gab er „takti sche Anweisungen“, für welche Elf, ist nicht überliefert. Vermutlich für beide … Am Dienstag, den 28. September 1970, suchte der AltBundestrainer in Beglei tung seiner Ehefrau Ev erstmals eine Straf anstalt auf, auf Einladung des da maligen Oberpfarrers und späteren Dekans Walter Schmitt, dem katho lischen Seelsorger der JVA Bruchsal. Seelsorge schloss körperliche Betäti gung nicht aus. Schmitt war damals gerade dabei, ein Sportprogramm auf zubauen, und nun sollte das erste „of fizielle Fuß ballspiel“ stattfinden. Seine Idee: die Veranstaltung durch den Besuch „einer Persönlichkeit des deutschen Sports“ aufzuwerten, und damit auch deren Protagonisten. Schmitt: „Der Tag … soll dem Gefangenen ein Erlebnis vermitteln, sodass er spürt, er ist von draußen nicht abgeschrieben.“ Es war nicht der erste derartige Ver such bei Herberger, schon im Mai 1967 wand te sich die JVA Butzbach an lässlich des 15jährigen Bestehens ihres Sportkreises an den „Chef“ – auf Wunsch der Belegschaft. Damals musste Herberger wegen ei ner anstehenden Operation zu seinem Bedauern absagen. Doch Resozialisierung ist ein langer, oft mühevoller, aber auch verdienstvoller Prozess, und so sollte es noch viele Möglichkeiten für den Chef geben, der nach dem Motto lebte: „Wer oben ist, darf die unten nicht vergessen.“ Die Bruchsaler erlebten 1970 die Premiere einer Erfolgsgeschichte, die sich nicht in Titeln, Triumphen und Geldscheinen messen lässt. Niemand hat die Besuche gezählt, die seit jenem Tag und erst recht seit Errichtung der SeppHerberger Stiftung am 28. März 1977 stattfan den. Die Zahl muss an die Tausend ge hen, wenn allein Ehrenspielführer Fritz Walter, anfangs noch in Begleitung Herbergers, über 200 absolviert hat. 50 Jahre Resozialisierung – ein Ruhmesblatt der Stiftung, von dem viel zu selten die Rede ist. Weil in den Medien das Spiel mit seinen Nebengeräuschen immer im Vordergrund steht, aber Fußball eben mehr als ein 1:0 ist. Herberger hat viele gesehen und gehört zu haben. Viele er haschten ein Autogramm, selbst durch die Zellenfenster, und die Bruchsaler Rundschau schrieb: „Sepp Herberger wurde vor, während und nach dem Spiel als das gefeiert, was er in Wirklichkeit ist: der König des deutschen Fußballs!“ Es waren leichte Stunden für die schwe ren Jungs, und bei der anschließenden Fragerunde, als der Chef natürlich auch wieder vom „Wunder von Bern“ erzählen musste, gewann er ihre Herzen. Nicht nur mit dem Versprechen, der Anstalt dem nächst ein paar Fußballschuhe schen ken zu wollen. Mehr noch wirkte seine starke, faszinierende Persönlichkeit er mutigend auf die oft so unglücklichen Männer. Davon künden etliche Briefe, die sich in Herbergers Nachlass finden. Es sind keineswegs nur weitere Auto grammwünsche (bitte mit Bild!), es sind aufrichtige Dankesschreiben darunter, die die Sinnhaftigkeit der nun beginnen den Periode unterstreichen, in der auch der Chef „eine neue Lebensaufgabe“ (Dekan Schmitt) fand. So erhielt das Ehepaar Herberger 1970 Weihnachtsgrüße von den „Roten Teufeln“ mit 23 Unterschriften, ein lan ges Weihnachtsgedicht und selbst ge zeichnete Porträts aus Bruchsal, nach der Vorlage vorher erbetener Fotos von Ev und Sepp. Der Künstler hatte unmittelbar nach dem Besuch seinen Mithäftling Heinz Oerlemans gefragt: „Mensch Heinz, wenn ich nur wüsste, mit was und wie ich unserem Seppl Her ber ger eine Freude bereiten könnte.“ 50 Jahre Resozialisierung Unzählige Besuche prominenter Sportlerinnen und Sportler in Strafanstalten seit 1970 Das Ergebnis lautete 3:1 für Rot und stand doch klar im Schatten des Er leb nisses. Das Erlebnis, den populären Weltmeistertrainer von 1954 leibhaftig Über 200 Anstaltsbesuche von Fritz Walter