Dabei war er nicht der Star des ersten deutschen Weltmeisterteams, das waren andere. Toni Turek, Fritz Walter, Helmut Rahn. Sie alle hätten sich mit Händen und Füßen dagegen gewehrt, Stars zu sein. Idole trifft es besser. Sie erschie- nen in einer Epoche der Demut und Bescheidenheit im Anschluss an den Krieg, den Hitler-Deutschland entfesselt hatte. Mit dem Weltmeistertriumph ge- gen die Ungarn, so geht die Erzählung, kehrte Deutschland 1954 allmählich in die Völkergemeinschaft zurück. Vor allem wuchs das Selbstwertgefühl der Deutschen, die noch immer in Trümmern lebten. Auch im „Freundsein“ Weltmeister Horst Eckel hat die Erinnerung an diese Zeit am längsten am Leben gehalten, er war schon länger der letzte Zeuge von Bern, und das gern. Fast jeder kann- te ihn. Dabei ist sein größtes Spiel vor bald 68 Jahren abgepfiffen worden, aber seine Popularität war ungebrochen. Er hatte eine eigene Homepage, man konnte ihm auf Instagram und Twitter folgen, er war bei Facebook gewesen. Nun gut, darum kümmerte sich bis zuletzt Tochter Dagmar, mit der er die Horst-Eckel-Stiftung gegründet hat. Diese dient der Bildungsförderung, denn „Bildung ist der Wegweiser zur erfolgreichen Berufslaufbahn“, wird Eckel auf der Homepage zitiert. Das wusste der ehemalige Realschullehrer für Sport und Kunst besser als manch anderer Kicker. Seit 2017 hatte er so- gar seine eigene Gala, die erstmals im pfälzischen Morbach stattfand, wo er einst ein Hotel betrieb. Das Fest wur- de von Prominenz aus Sport, Wirtschaft und Politik stark frequentiert, aber auch von seinen vielen Freunden. Eckel sei „auch im Freundsein Weltmeister“, schrieb mal eine Zeitung. Der Erlös kam stets seiner Stiftung zugute. Auch für die Stiftung des einen großen Mannes, der sein Leben geprägt hat, Ex-Bundestrainer Sepp Herberger (1977 verstorben), war er bis ins hohe Alter aktiv. Solange es die Gesundheit erlaubte, besuchte er Justizvollzugsanstalten und machte den Insassen Mut für ein Leben in Freiheit, das irgendwann wieder auf sie wartet. Dann trat er etwas kürzer, auch wenn er die Folgen einer Hüft-OP im Oktober 2021 gut verkraftet hatte. Er verkörperte bis zuletzt das, was die „Berner“ auszeichnete – Bescheidenheit –, und nutzte den unverhofften Ruhm nicht etwa zu seinem Besten, sondern zu dem der Allgemeinheit. Dazu gab es mit dem Alter immer mehr Möglichkeiten. Eckel hatte seine Erfahrungen von der WM 1954 schon in ein Buch gepackt („Die 84. Minute“) und war vor dem Turnier 2006 im eigenen Land der ge- fragteste Zeitzeuge. In jenen Monaten wurde Eckel, der auf dem Platz ein un spektakulärer Fleißarbeiter war – Spitzname „Windhund“ –, zum Medien- Star. Der sogar einen Berater brauchte zur Terminkoordination und zum Aushandeln von Honoraren. So was hatte der Spieler nie gelernt und dem Menschen lag es ohnehin nicht. Bezeichnend auch: Ans Telefon im Hause Eckel ging im- mer erst Frau Hannelore. Seit 1995 im Ruhestand, führte er zunächst sein be- schauliches Leben in Bruchmühlbach- Miesau, Ortsteil Vogelbach, wo er nie wegzog und der Sportplatz nach ihm benannt ist, fort. Tennis und Fußball für Prominententeams spielte er und natürlich ging er auch „nuff uff de Betze“, zu seinem 1. FC Kaiserslautern – selbst in Liga 3. Mit dem Herzen immer beim FCK Er selbst hatte nie so weit unten ge- spielt, nicht seit er den SC Vogelbach mit 16 verließ. Mit 19 stand er in der ersten Meisterelf der Kaiserslauterer anno 1951, 1953 holten sie die Schale erneut. Die Karriere endete 1964 bei Röchling Völklingen, wo er ab 1959 spielte. Das Herz blieb immer beim FCK, für den er in 213 Spielen 64 Tore schoss. Für Deutschland war er 32-mal am Ball und einer von nur vier Bernern, die eine zweite WM spielten (1958 in Schweden). Seine professio- nelle Einstellung in Zeiten, da es noch keine Profis gab, war sein Vorzug und sein Glück, denn hoch talentiert war er nicht. Er war ein „wie besessen hinter einem Ball herjagendes schmächtiges Bürschchen, das sich furchtlos mit grö- ßeren und stärkeren Jungs auseinander- setzt und seine körperlichen Nachteile durch große Wendigkeit, Lauffreudigkeit und eine für einen Knirps beachtliche Balltechnik auszugleichen versteht“, schrieb Horst Lachmund im Buch „Der Mythos von Bern“ (2004). 1949 wollte er sein Probetraining in Kaiserslautern schon nach fünf Minuten abbrechen, denn der 17-jährige Horst konnte nur mit der Pike und der Innenseite schie- ßen: „Ich wusste damals noch nicht, was ein Spannschlag ist. Ich dachte mir: Schnell zurück nach Vogelbach, diese Spielerei ist eine Nummer zu groß für dich.“ Der Jugendtrainer war anderer Meinung und empfahl ihn schon bald für die erste Mannschaft, die in der Oberliga spielte. Sein Debüt im Mai 1950 miss- lang völlig, aber der große Fritz Walter, der zweite wichtige Mann in seinem Leben, baute ihn auf: „Egal, wie das heute gelaufen ist, du bleibst bei uns und spielst weiter.“ Fritz Walter sorgte für sein Comeback in der Ersten, denn „der Eckel spielt, der kann das, auch weil er gute Nerven hat“. Seitdem blieb er im Team, das damals den deutschen Fußball beherrschte. Herberger als ge- nauer Beobachter der „Walter-Elf“ holte fünf aus ihr in seinen WM-Kader. Auch Eckel, der schon im November 1952 mit gerade 20 gegen die Schweiz in Augsburg debütierte. So wurde der „Windhund“ Weltmeister, als einzi- ger neben Fritz Walter in allen sechs Partien dabei und mit 2.200 DM ho- noriert. Im offenen Wagen fuhren sie ihn von Kaiserslautern nach Vogelbach. „Ich bin nicht allein – nie mehr“ Unvergessliche Tage. Sein Tod ruft sie ein weiteres Mal in Erinnerung. Nun kann er nicht mehr davon erzäh- len, aber sein Vermächtnis lebt in der Stiftung fort. Und in der HALL OF FAME im Deutschen Fußballmuseum, in die er nur vier Tage vor seinem Tod einzog. Es war keine bloße Gefälligkeit der Jury, für die das Ende des „Windhunds“ genau- so überraschend kam wie für alle ande- ren auch. Horst Eckel ist jetzt bei seinen Kameraden und da hat er sich immer am wohlsten gefühlt. Als sie nach dem Abpfiff in Bern bei der Nationalhymne einander die Hände hielten, so hat er es mal erzählt, „da wusste ich: Ich bin nicht allein – nie mehr.“