„Mir ist bewusst, dass ich als Fußballprofi ein privilegiertes Leben führe. Auch deshalb will ich Menschen helfen und Leben verändern“, erklärte Gosens im Johannesstift in Berlin-Spandau. Malerisch an der Stadtgrenze im Grünen gelegen, bot der Ort beste Voraussetzungen für die Besinnung auf das Wesentliche. „Wir haben gezielt talentierte junge Spielerinnen und Spieler gesucht, um sie auf ihrem Weg zu unterstützen. Es lohnt sich, jeden Tag für den eigenen Traum zu kämpfen.“ Der 27-jährige Außenverteidiger, der damals noch bei Atalanta Bergamo unter Vertrag stand und inzwischen zu Inter Mailand gewechselt ist, war nach dem Abpfiff eines Punktspiels in den Flieger geklettert, um persönlich in der Bundeshauptstadt vorbeizuschauen.
Einer der offensivstärksten Außenverteidiger Europas
Auch der junge Robin Gosens hatte sich nach oben kämpfen müssen. Bei einem Probetraining von Borussia Dortmund war das Talent des jungen Gosens erst mal unentdeckt geblieben. Erst über die zweite niederländische Liga öffnete sich für ihn ein Weg, der dann steil bergauf führte. Mittlerweile zählt er in der Serie A und in ganz Europa zu den offensivstärksten Außenverteidigern.
Zum Programm des Camps zählten Vorträge von Mental-Coach David Kadel, ein digitaler Besuch von Wladimir Klitschko, eine Talkrunde mit Olympia-Siegerin Tabea Kemme und Bernd Schultz, dem Präsidenten des Berliner Fußball-Verbandes, sowie ein Lagerfeuer-Konzert des Sängers Gregor Meyle („Keine ist wie Du“).
Mona Sarr von SV Empor Berlin, die bereits für die DFB U 15- und U 17-Juniorinnen nominiert wurde, bilanzierte: „Mich hat positiv überrascht, wie viele sehr bekannte Leute beim Camp referierten. Robin Gosens fliegt so eben mal zu uns. Das motiviert mich.“ Mio Backhaus, Torwart der A-Junioren von Werder Bremen, schließlich meinte nach dem letzten Termin: „Meine Erwartungen sind alle erfüllt worden. Jetzt bin ich richtig heiß auf die Saison.“
Mission erfüllt, der Booster wirkte. Der Traum von der großen Karriere geht weiter.
Robin Gosens über die Kraft des Träumens
Herr Gosens, auf Zwischenstopps beim niederländischen Zweitligisten FC Dordrecht und bei Heracles Almelo folgte der Wechsel in die Serie A zu Atalanta Bergamo. Nach einer Niederlage im Europa-League-Spiel bei Borussia Dortmund, das war im Februar 2018, brüllte Ihr Trainer Gian Piero Gasperini in der Umkleide auf Sie ein, auf Italienisch, Sie verstanden vielleicht ein Drittel. War das eine Zeit, wo Sie eher Albträume als Träume hatten?
Ja, absolut. Direkt nach dem Kabinenanpfiff habe ich meinen Vater angerufen. Ich war völlig am Boden zerstört. Ein Fußballleben verläuft in Extremen. Sie sprechen von Albträumen und Träumen, dahinter stecken Erfolg und Misserfolg, Siege und Niederlagen. Als Profi muss man damit klarkommen, sonst packt man es nicht.
Beim träumenlohntsich-Camp in Berlin ging es auch um Selbstachtsamkeit. Können Sie etwas damit anfangen?
Als es in Bergamo zu Beginn schwierig lief, habe ich mit einem Mental-Coach gearbeitet. Der fragte mich irgendwann: „Robin, das Mannschaftstraining, das Krafttraining, die Laufeinheiten, der Italienisch-Unterricht – für wen machst du das eigentlich?“ Und mein erster Impuls war es, zu antworten: „Für den Trainer, denn der entscheidet, ob ich spiele oder nicht.“ Dieser Moment war mein persönlicher „Game Changer“. Ich verstand plötzlich, dass ich alles, was ich tue, für mich machen muss. Mir muss es erst mal gut gehen. Nur dann kann ich andere überzeugen. Aber solange ich nicht auf mich selbst achtgebe, kann ich keine Leistung bringen, weil ich dann nur den Zielen anderer Menschen hinterherhechele.
Bei einer Kreativitätsübung gingen die Jugendlichen durch den Raum und sollten Dinge bewusst laut falsch benennen. Also vor einem Stuhl stehen, drauf deuten und „Leguan“ sagen. Oder auf einen Notizblock deuten und „Spülbecken“ sagen. Wie wichtig ist Kreativität im Spitzenfußball?
Kreativität ist ein eminent wichtiger Bestandteil meines Profidaseins. Du kannst im Verlauf eines Spiels die wenigsten Situationen vorhersehen, sondern musst dich auf immer wieder neue Situationen einstellen. Durch Kreativität blitzschnell Lösungen finden – darum geht es. Und außerhalb des Feldes, wie jetzt bei meiner Stiftungsarbeit, will ich Leute erreichen, Reichweite erzielen und hier vor Ort die Jugendlichen inspirieren und ein Feuer entfachen. Dabei kommt es auch auf Kreativität an.
Was ist das Ziel Ihrer Stiftung?
Gemeinsam mit meiner Partnerin Rabea möchte ich mit unserer träumenlohntsich-Stiftung junge Menschen bei ihren eigenen Träumen unterstützen. Wir möchten Kinder und Jugendliche mit einer Flucht-Vergangenheit, aus sozial schwachen Familien sowie mit jeglicher Beeinträchtigung, die ihre Träume aufgegeben haben, durch äußere Einflüsse aus diesen gerissen wurden oder sich aufgrund einer vermeintlich aussichtslosen Lage nicht trauen, an diese zu glauben, darin unterstützen, ihre Träume wiederzuentdecken oder komplett neu zu träumen. Denn träumen lohnt sich.