"ICH EMPFINDE ES ALS GROSSE AUSZEICHNUNG"

Bundestrainer Hansi Flick ist im Dezember 2021 in das Kuratorium der DFB-Stiftung Sepp Herberger berufen worden. Für den Bundestrainer ist es eine Selbstverständlichkeit, soziale Verantwortung zu übernehmen und sich zu engagieren. 

Wenn Hansi Flick an seinen Vor-Vor-Vor-Vor-Vor-Vor-Vor-Vor-Vorgänger denkt, dann hat der Trainer der DFB-Auswahl ähnliche Gedanken wie alle anderen Fußballfans auch. „In erster Linie verbinde ich mit Sepp Herberger natürlich das Wunder von Bern“, sagt Flick. Den sensationellen Gewinn der Weltmeisterschaft 1954 in der Schweiz also. Das 3:2 im Finale gegen Ungarn. Die legendäre Radioreportage von Herbert Zimmermann, die jeder kennt: „Halten Sie mich für verrückt, halten Sie mich für übergeschnappt. Ich glaube, auch Fußball-Laien sollten ein Herz haben und sollten sich an der Begeisterung unserer Mannschaft und an unserer eigenen Begeisterung mitfreuen und sollten jetzt Daumen halten. (…) Aus dem Hintergrund müsste Rahn schießen. Rahn schießt ... Toooor! Toooor! Toooor! Toooor! (…) Aus! Aus! Aus! Das Spiel ist aus! Deutschland ist Weltmeister. Schlägt Ungarn mit drei zu zwei Toren im Finale in Bern.“

Deutscher Fußball profitiert bis heute von Herbergers Ideen

Flick ist davon überzeugt, dass alle Fußballer in Deutschland bis heute von dem profitieren, was Sepp Herberger mit seiner Elf einst geleistet hat: „Damals sind Vorbilder entstanden, denen die folgenden Generationen nachgeeifert haben. Für mich ist klar: Die Entwicklung des Fußballs in Deutschland wäre eine andere gewesen ohne Sepp Herberger. Er hat in 28 Jahren als Bundestrainer ganz maßgeblich die Entwicklung des Fußballs in Deutschland beeinflusst, gerade wir Trainer profitieren heute noch von Ideen, die er vor Jahrzehnten entwickelt hat.“ 

Schon in seiner Zeit als Bayern-Trainer hat Flick gemerkt, dass einige von Herbergers Gedanken aktueller denn je sind: „Mir kommt häufiger ein Spruch in den Sinn, der nicht zu seinen Klassikern gehört, der aber, glaube ich, von ihm stammt. ,Der Ball ist unser Dolmetscher‘, hat Herberger mal gesagt, wobei ich den Zusammenhang nicht kenne, in dem dieses Zitat gefallen ist. Aber ich habe es genau in dieser Weise erlebt. Die Sprache des Fußballs ist universell, es ist erstaunlich, wie schnell Spieler, die keine gemeinsame Sprache haben, auf dem Platz ein blindes Verständnis entwickeln und fast selbstverständlich kommunizieren können.“

Flick und Herberger mit gemeinsamer Heimat

Aber Flicks Bezug zu Herberger geht über alle emotionalen Aspekte hinaus. Sie haben eine gemeinsame Heimat, sie stammen beide aus der Metropolregion Rhein-Neckar. Herberger kommt aus Mannheim, Flick aus Heidelberg. „Wenn man in dieser Region aufwächst und ein Herz für den Fußball entwickelt, kommt man am Namen Herberger schon früh noch weniger vorbei als im Rest des Landes“, betont Flick. Darüber hinaus hat der 57-Jährige auch persönliche Beziehungen zur Familie. Er kennt Michael Herberger ganz gut, Sepp Herbergers Urgroßneffen und ebenfalls Kuratoriumsmitglied der Stiftung.

Dazu zählt seit Ende des vergangenen Jahres auch Flick selbst. Man musste ihn nicht überreden, dies zu tun. Für Flick ist es eine Selbstverständlichkeit, dass er soziale Verantwortung übernimmt. „Ich weiß, dass die Stiftung wichtige Arbeit leistet – das Erbe von Sepp Herberger ist dort in guten Händen, seine Gedanken und seine Werte werden über die Stiftung vorbildlich transportiert“, sagt Flick, der 2014 als Co-Trainer der DFB-Auswahl Weltmeister wurde und 2020 als Chefcoach des FC Bayern München das Sextuple gewann – Deutsche Meisterschaft, DFB-Pokal, Champions League, DFL-Supercup, FIFA-Klub-Weltmeisterschaft und UEFA-Super-Cup.

Verpflichtung und Ehre zugleich

Für den Bundestrainer ist es Verpflichtung und Ehre zugleich, sich im sozialen Bereich noch mehr zu engagieren: „Ich freue mich auf die Zusammenarbeit mit dem Stiftungsteam und natürlich mit meinen Kolleginnen und Kollegen im Kuratorium. Ich empfinde es als Auszeichnung. Otto Rehhagel und Uwe Seeler gehören dazu – schon das ist Grund genug, dem Kuratorium beizutreten. Aber nicht nur die beiden, ich könnte noch viele andere nennen, Rea Garvey und Lars Klingbeil zum Beispiel.“ Auf den Austausch mit Alexander Fangmann, dem Kapitän der Blindenfußball-Nationalmannschaft, ist er ebenfalls sehr gespannt.

Auch als Flick noch nicht im Kuratorium tätig war, hat er sich bereits aktiv eingebracht. Beispielsweise hat er vor einiger Zeit die Sepp-Herberger-Grundschule in Weinheim-Hohensachsen besucht. „Mir liegt es am Herzen, dass wir uns mit der Stiftung im Sinne von Sepp Herberger für Menschen einsetzen, denen es schlechter geht, Menschen, die Hilfe und Unterstützung benötigen“, sagt Flick.

Eher die Chancen in den Blick nehmen als die Risiken

Eigentlich will er dabei thematisch gar nichts besonders hervorheben. Das Thema Inklusion allerdings ist ihm besonders wichtig. Aber auch den Blindenfußball findet er faszinierend, weil „die Leistungen blinder und sehbehinderter Fußballer komplett außerhalb meiner Vorstellungskraft sind. Die Resozialisierungsprojekte imponieren mir ebenfalls, die vielen Besuche in Haftanstalten haben ja Tradition in der Stiftung. Ich bin ein Befürworter des Gedankens, der dahintersteht: Wir dürfen die Opfer der Taten nie vergessen, und dennoch ist es oft lohnend, Menschen, die schlimme Fehler gemacht haben, eine zweite Chance zu geben.“

Auch als Trainer ist er nicht selten mit der Situation konfrontiert, aus der Vergangenheit die richtigen Schlussfolgerungen zu ziehen, die Fehler zu verzeihen und auf das Potenzial der Spieler zu setzen: „Oft ist es gut, mehr die Chancen in den Blick zu nehmen als die Risiken. Das gilt für den Fußball – und das gilt auch für das Leben.“

Herzlich willkommen im Stiftungsteam, lieber Hansi Flick.