Der Fußball hat sein Leben bestimmt – und er selbst hat unseren Sport in seiner Entwicklung über Jahrzehnte hinweg entscheidend mitgestaltet. Sepp Herbergers Wirkung reicht weit über die Zeit hinaus, in der er von 1936 bis 1964 die Nationalmannschaft formte und lenkte und 1954 mit der Weltmeisterschaft in der Schweiz, nur wenige Jahre nach einem Neuaufbau fast aus dem Nichts, seinen größten Triumph errang. Generationen von Spielern lernten bei ihm, der selbst immer lernen wollte, um lehren zu können – ob als Spieler in seiner aktiven Zeit beim SV Waldhof, VfR Mannheim und später in den Berliner Studi- enjahren bei Tennis Borussia, als Mitglied der Nationalmannschaft zwischen 1921 und 1925 bei drei Länderspielen in einer Epoche, in der – nach seinen eigenen Worten – von systematischer Lehrgangs- arbeit, Vorbereitung und Planung auf lange Sicht noch nicht die Rede sein konnte, dann als Student an der Hochschule für Leibes- übungen in Berlin, schließlich als junger Sportlehrer beim damaligen Westdeutschen Spielverband und, seit 1936, als Reichstrainer und Bundestrainer beim Deutschen Fußball-Bund. Viele der heute aktiven Trainer sind durch seine Schule gegangen. Schon 1947 legte er an der Sporthochschule in Köln unter schwie- rigen Verhältnissen die Grundlage für die heute in aller Welt geach- tete Trainerausbildung im DFB. Manches hat sich im Fußball seitdem gewandelt. Wesentliche Fundamente, die Herberger legte, bestehen nach wie vor. Die Popularität, die Sepp Herberger unvermindert umgibt – eine wirkliche Seltenheit in so schnelllebiger Zeit – entspringt seiner Leistung und seiner Persönlichkeit. Diese Popularität hat viele Aspekte. Sie spiegeln sich in den zahllosen Beinamen wider, die ihm Freunde und Kritiker, nahestehende und distanzierte Beobachter, Journalisten und das Fußballvolk verliehen: Der Fußballweise aus Hohensachsen, der deutsche Zauberer, Feldherr – oder, wegen seines angeblich zu strengen Sinns für Disziplin, Feldwebel, einfach und vertraulich Sepp oder – um seine Identifikation mit dem ganzen Fußballleben eines Volkes zu dokumentieren, Bundessepp. Herber- ger trug sie alle mit Gelassenheit. Kein Titel aber passt zu ihm so gut wie der, mit dem seine Nationalspieler aus der Weltmeisterelf von 1954 von ihm sprachen und sprechen. Für sie ist er schlicht und einfach „der Chef“.